C-ITS – ein Überblick

"Cooperative Intelligent Transport Systems" (C-ITS) beschreiben Technologien und Standards zur Verbindung von Fahrzeugen miteinander (V2V) und der Infrastruktur (V2X). Die Idee aus der Autoindustrie zielt auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit ab. Mit denselben Standards können jedoch auch unterschiedlichste Aufgaben in der Verkehrssteuerung umgesetzt werden. Martin Franke, SWARCO-Produktmanager für C-ITS In Deutschland, gibt uns einen Überblick.

Einsatzfahrzeuge priorisieren

Eine von Sonderrechtsfahrzeugen ausgesendete spezielle Nachricht informiert erstens andere Verkehrsteilnehmer über ein nahendes Rettungsfahrzeug, so dass die Bildung einer Rettungsgasse gefördert wird, und fordert zweitens an Lichtsignalanlagen ein spezielles Programm an, damit die Fahrtrichtung des Rettungsfahrzeugs „grün“ geschaltet wird. Damit weiß der Fahrer, dass er sicher in den Kreuzungsbereich einfahren kann, ohne dass andere Fahrzeuge oder Fußgänger seinen Weg queren.


ÖPNV priorisieren

Aufgrund der Neuordnung im Bereich des nicht-öffentlichen mobilen Landfunks (NömL) werden Änderungen bei der Kommunikation zwischen ÖPNV und Lichtsignalanlage notwendig. Auch hierfür kann die C-ITS-Kommunikation genutzt werden. So können über die C-ITS-Nachrichten auch R09.16-Telegramme verschickt und damit heutige Planungen in den Lichtsignalanlagen übernommen werden. Die Technologie bietet auch die Möglichkeit, die Bewegung des Fahrzeugs bis zur Anlage exakt zu verfolgen und Schaltungen darauf abzustimmen sowie dem Fahrzeug Rückmeldung zu geben.

Verkehrsteilnehmer besser informieren

Über C-ITS können Informationen zur aktuellen und zukünftigen Signalisierung von Lichtsignalanlagen kommuniziert werden, beispielsweise Grünzeitprognosen. Kennen Verkehrsteilnehmer ihre „individuelle grüne Welle“, so werden Energie gespart, Schadstoffe deutlich reduziert, Haltevorgänge minimiert und zugleich ein positives Image der Stadt vermittelt. Auch Radfahrer und weitere Verkehrsteilnehmer können ein attraktiveres Fahrerlebnis genießen.


Vor Gefahren warnen

So, wie auf Autobahnen Sicherungsanhänger via C-ITS vor Baustellen warnen, kann überall im Straßennetz mit der gleichen Technologie vor Gefahren, wie z.B. Glatteis oder Starkregen, gewarnt werden – und das sogar ohne mobiles Internet.


Fahrzeuge sehen, zählen und den Verkehr bemessen

Anders als punktuelle Erfassung kann man mit C-ITS über eine gewisse Distanz (bis mehrere 100 m) sekündlich jedes ausgerüstete Fahrzeug beobachten. Live-Statistiken zu Wartezeiten, Anzahl der Halte, Staulängen, Abbiegebeziehungen am Knoten oder Geschwindigkeitsermittlung werden möglich. Darüber hinaus sind viele weitere Anwendungen bereits beschrieben, die das Verkehrsmanagement sicherer und effizienter machen.

Technologie

Die Technologie besteht aus mehreren Bausteinen. Entscheidende Elemente wie Nachrichtenformate oder Kommunikationswege sind standardisiert; Geräte, Software und deren Einbindung in bestehende ITS-Technologien sind am Markt verfügbar. Die wichtigsten Elemente im Überblick:


Normierte Nachrichten

  • CAM: Die „Cooperative Awareness Message“ (ETSI EN 302 637-2) beschreibt Position, Geschwindigkeit und Richtung eines Fahrzeugs. Die Nachricht wird regelmäßig zwischen 1 - 10 Hz von Fahrzeugen ausgestrahlt. Optionale Inhalte sind z.B. R09.16 Telegramme oder „Blaulicht an“.
  • DENM: „Decentralized Environmental Notification Message“ (ETSI EN 302 637-3) beschreibt die Codierung von Gefahrenwarnungen.
  • IVI: „In-Vehicle Information“ (ISO 19321) regelt die Codierung von Verkehrszeichen, darunter z.B. die dynamische Geschwindigkeitsbegrenzung.
  • SPAT/MAP (SAE-J2735 and ISO 19091): „Signal Phase And Timing“ kann sowohl die aktuelle Signalisierung als auch deren Prognose enthalten. Für welche Fahrbeziehung (Signalgruppe) die Signalisierung gilt, wird durch Referenz auf die standardisierte Beschreibung der Kreuzungstopologie (MAP) mitgeteilt. MAP stellt Fahrspuren und Haltelinien in Form von Koordinatenpunkten dar. Wie alle Nachrichten kann SPAT/MAP entweder lokal versendet werden (sinnvoll bei Anwendungen, die die aktuelle Signalisierung sehr zeitgenau und sicher benötigen), oder es kann eine Übertragung per Internet erfolgen (sinnvoll für die Verbreitung von Prognosen für bestimmte Anwendungen, z.B. Rotwartezeit).

Kommunikationswege

Zunächst wurde C-ITS für eine lokale Kommunikation („short range“) entwickelt. In einem weltweit festgelegten Frequenzbereich bei 5,9 GHz können Fahrzeuge und Infrastruktur direkt miteinander kommunizieren. Ein Mobilfunknetz ist dazu nicht erforderlich. Das für diese Kommunikation notwendige Modem ist Bestandteil der „Road Side Unit“, die C-ITS-Ergänzung der Infrastruktur. Fahrzeugseitig kann man entsprechende Hardware nachrüsten; im Golf 8 ist sie serienmäßig verbaut.

Die erste Generation von Short-Range-Kommunikation wird „ETSI ITS G5“ oder „802.11p“ genannt. Eine weitere Generation betritt den Markt unter den Bezeichnungen „C-V2X“ oder „PC5“. Aufgrund von integrierten Chipsätzen für C-V2X und 5G-Mobilfunk planen mehrere Autohersteller, ihre Fahrzeuge mit dieser Technologie auszustatten. Ergänzend können die erzeugten Nachrichten auch über das Internet ausgegeben werden.

Die bereitgestellten Informationen erreichen die Verkehrsteilnehmer dann über Mobilfunk. 5G verspricht mehr Bandbreite und gesicherte Netzen mit garantierter Verfügbarkeit, sowie schnelle lokale Rechenleistung (Mobile Edge Computing). Dies bildet schon heute und in Zukunft einen wichtigen technologischen Baustein im modernen, vernetzten Verkehrsmanagement.

Neue Rollen und Aufgaben, mehr Möglichkeiten

Allein durch den Kauf und Einbau neuer Hardware ist der Nutzen nicht oder nur in Teilen erreichbar. Ein Betreiber von Verkehrssystemen muss seine Rolle und die damit verbundenen neuen Aufgaben verstehen und den technologischen Wandel mitgestalten. Hierzu gehört auch Wissensaufbau um vernetzte Systeme, IT-Sicherheit, Schutz der Privatsphäre. Stichworte sind hier DSGVO, KRITIS, ISO27001 und PKI.

Betreiber von Verkehrssystemen haben einen starken Ausgangspunkt, um Beiträge für die neuen Anwendungen zu leisten und damit die Qualität zu bestimmen. So hat zum Beispiel jeder Verkehrsplaner das Layout einer Kreuzung und das dazugehörige Signalprogramm mit seinen Signalgruppen zur Hand. Hieraus kann mit nur wenigen Handgriffen eine MAP erstellt werden. Navigationskartendienste können diesen Wissensstand, die Qualität und Aktualität nicht erreichen.

Die MAP ist auch eine Basis für neue Funktionen. So kann man die Anzahl von Fahrzeugen in einem Zulauf der Kreuzung (evtl. sogar fahrspurgenau), deren voraussichtliche Ankunftszeit und die Präsenz von Fußgängern und Radfahrern verarbeiten. Somit lohnt es sich, die überschaubare Zusatzaufgabe des Erstellens und Pflegens der MAP mit in die Rolle des Planers aufzunehmen. Das Wissen im Signalprogramm kann auch für eine LSA-Prognose verarbeitet werden. Inzwischen ist erwiesen, dass auch bei dynamischer und adaptiver Steuerung in sehr vielen Fällen eine gute Prognose (oder eine gute Prognose für bestimmte Übergänge) möglich ist. Dass das Wissen über eine bevorstehende Schaltung für eine energiearme und effiziente Abwicklung des Verkehrs dienlich ist, wurde in unterschiedlichsten Szenarien erwiesen.

Wer sich bisher nicht oder kaum mit diesen Entwicklungen beschäftigt hat, ist anfangs oft überwältigt. Zehn Jahre Entwicklung haben im ITS-Bereich eine große Menge Wissen und Erfahrung generiert. Nun gilt es, die Entwicklungen anzuwenden, um unsere Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten.

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